Proteinfasern geben Zellen eine Struktur. Wie sie sich im Getümmel des Zellinneren bewegen, haben Forscherinnen und Forscher anhand von Computersimulationen und einer analytischen Theorie untersucht. (Foto: Y tambe/Wikimedia Commons, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)
Rasch durch ein Gedränge
01.10.2020 – Biofilamente breiten sich deutlich rascher aus, wenn sie in ein Gedränge geraten. Das zeigen Computersimulationen von Physikern und Biophysikern der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Universität Innsbruck. Demnach hemmt ein dichtes Netzwerk von langen Fasern deren Rotation und fördert so unerwarteter Weise deren weitere Ausbreitung. Diese Ergebnisse stellen sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters vor.
Das Inneren von Zellen wird vom sogenannten Zytoskelett strukturiert. Dieses besteht aus einem dichten Netzwerk von Proteinfasern, den sogenannten Filamenten. Die Dynamik dieser selbst-angetriebenen Filamente steuert wesentliche Funktionen der Zelle.
Bisher konnte die Wissenschaft die Bewegung von Filamenten im Inneren von Zellen nicht präzise beschreiben. Dr. Suvendu Mandal, Dr. Christina Kurzthaler und Prof. Dr. Thomas Franosch vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und Prof. Dr. Hartmut Löwen vom Institut für Theoretische Physik II der HHU konnten nun mit Hilfe von Computersimulationen zeigen, dass die Ausbreitung umso rascher erfolgt, je dichter die Filamente in der Zelle beieinanderliegen. Diese zunächst nicht eingängige Erkenntnis eröffnet neue Möglichkeiten für die Kontrolle sich bewegender Objekte.
Überraschendes Verhalten
Am Computer simulierten die Forscherinnen und Forscher eine Lösung schwimmender Filamente. „Zwischen Kollisionen mit Nachbarn schwimmt jedes Filament mit konstanter Geschwindigkeit in Richtung seiner Längsachse, wobei sich die Richtung mit der Orientierung der Faser ändern kann“, beschreibt Kurzthaler, die heute als Postdoktorandin an der Princeton University forscht. „Unsere Simulationen zeigen, dass sich in Regionen mit sehr vielen Filamenten deren Verhalten verändert. Durch die Wechselwirkung mit den Nachbarn werden die Filamente am Rotieren gehindert. So halten die Fasern eine konstantere Schwimmrichtung ein und breiten sich stärker als in dünn besetzten Regionen aus“, ergänzt Mandal, der heute an der HHU tätig ist. Die Forscher zeigen, dass die Ausbreitungsrate in überfüllten Regionen um mehr als eine Größenordnung höher sein kann und erklären das Phänomen mit Hilfe einer Skalentheorie.
Besseres Verständnis realer Systeme
Mit den Ergebnissen liefert das Forschungsteam eine <rundlage für ein besseres Verständnis des Transports in realen biologischen Systemen wie dem Zellinneren, in Biofilmen und Böden. Sie stoßen aber auch neue Untersuchungen von komplexen Medien an, die aus Objekten unterschiedlicher Art und Größe bestehen. Die Forschungen wurden unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt.
Originalpublikation
Crowding-Enhanced Diffusion: An Exact Theory for Highly Entangled Self-Propelled Stiff Filaments. Suvendu Mandal, Christina Kurzthaler, Thomas Franosch, and Hartmut Löwen. Phys. Rev. Lett. 125, 138002
DOI: 10.1103/PhysRevLett.125.138002
Redaktion: Dr.rer.nat. Arne Claussen
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